Schmedemann, Walter

Foto Schmedemann, Walter

Schmedemann, Walter

* 03.02.1901 in Hamburg

† 01.04.1976 in Bad Bevensen

Hafenarbeiter, Hausarbeiter, Senator

- SAJ 1915, SPD 1917, dann USPD bis 1922, SPD bis 1933,
Distriktsführer, MdBü, Reichsbanner, SPD ab 1945,
2. Vorsitzender der Landesorganisation Hamburg, MdBü

- 1 Monat Schutzhaft Hamburg Juni/Juli 1933,
6 Wochen Schutzhaft Hamburg Oktober/November 1933,
4 Jahre Schutzhaft, Untersuchungshaft Zuchthaus Hamburg,
KZ Sachsenhausen 1934-1938 wg. Verstoßes gegen das Gesetz gegen die Neubildung von Parteien (Prozess Mehnke und Genossen), 1 Jahr 3 Monate KZ Sachsenhausen 1939/40, 3 Wochen Schutzhaft Hamburg 1944 (Gewitteraktion)

- Verlust des Arbeitsplatzes

- Koordinator des Hamburger SPD-Widerstandes

Leben und Werk


Walter Schmedemann wurde im Hamburger Stadtteil Barmbek als Sohn eines Lagermeisters geboren. Er wuchs in einem sozialdemokratischen Elternhaus auf und trat mit 14 Jahren in die Arbeiterjugend ein. Trotz guter schulischen Leistungen musste Schmedemann nach acht Jahren die Volksschule verlassen und 1915 eine Ausbildung als Verkäufer bei der Genossenschaft "Produktion" beginnen. Nach der Revolution 1918 arbeitete er als Hafenarbeiter. 1924 fand er eine Anstellung als Hausarbeiter in der Gesundheitsbehörde. Schmedemann wurde im Allgemeinen Krankenhaus St. Georg beschäftigt und begann hier 1925 seine Betriebsratsarbeit. Später übte er den Vorsitz in der Arbeitnehmervertretung aus.

Schmedemann trat 1917 in die USPD ein und wurde 1922 mit der Wiedervereinigung SPD-Mitglied. Er übernahm zunächst die Funktion eines Bezirkskassierers, wurde dann Bezirksführer und 1931 Distriktsvorsitzender in Eilbek. Auch der Gewerkschaft und dem Reichsbanner gehörte er an. 1932 wurde Schmedemann in die Hamburgische Bürgerschaft gewählt, deren Mitglied er bis zum zwangsweisen Ausscheiden der SPD-Abgeordneten 1933 war.

Bereits Anfang 1933 wurde Schmedemann sechs Wochen inhaftiert, als er einem von Nationalsozialisten bedrohten Reichsbannermann mit seiner Pistole zur Seite stand. Im August 1933 wurde Schmedemann deshalb wegen des Führens einer Schusswaffe außerhalb der Wohnung ohne Waffenschein zu einer Geldstrafe verurteilt. Als am 16. Juni 1933 die Hamburger Parteiführung bei einer Zusammenkunft verhaftet wurde, hatte sich der Distriktsvorsitzende vertreten lassen und konnte somit nicht gefangen genommen werden. Erst am 23. Juni erfolgte seine Verhaftung. Schmedemann nutzte die Zeit, um zumindest im eigenen Distrikt die noch vorhandenen Gelder für Durchschlagpapier, Farben für den Vervielfältigungsapparat, Wachsbogen und insbesondere für Abzugspapier zu verwenden. Schon diese Beschaffungen mussten getarnt werden, um durch größere Ankäufe nicht aufzufallen.

Als Schmedemann am 22. Juli 1933 aus der Haft entlassen wurde, begann er umgehend die illegale Parteiarbeit in Eilbek zu organisieren. Regelmäßige Zusammenkünfte, Wanderungen und Versammlungen im Freien, später sogar eine Maifeier, sorgten für den notwendigen Zusammenhang. Um die illegale Arbeit finanzieren und Angehörige von Inhaftierten unterstützen zu können, wurden Beiträge kassiert. Nach einer Denunziation wurde Schmedemann am 3. Oktober 1933 zusammen mit einem Kassierer erneut verhaftet. Der Kassierer erklärte, dass die Partei von ihm nur vorgeschoben worden sei und er das Geld zur eigenen Bereicherung gesammelt habe. Schmedemann kam Mitte November frei.

Die illegale Organisation hatte inzwischen feste Formen angenommen. Im Spätsommer 1933 bestand zu allen ehemaligen Distrikten Verbindung. Größere Gruppierungen delegierten einen Vertreter in die illegale Leitung. So vertrat Helmut Weidt die Genossen aus Rothenburgsort. Auch nach Altona gab es Kontakte. Allwöchentlich kam eine etwa sechsköpfige Leitungsgruppe in der Wohnung von Inga Dengler nahe der Gestapo- Zentrale im Stadthaus zusammen. Die illegale Parteiorganisation brachte mit den "Roten Blättern" jede Woche eine eigene Zeitung heraus, die in einer Auflage von bis zu 5.000 Exemplaren hergestellt wurde. Außerdem wurde Material aus dem Ausland herangeschafft und verteilt. Die Verbindungen reichten zum SPD-Auslandssekretariat in Kopenhagen und zum Exilvorstand in Prag. Unter Schmedemanns Leitung wurde die illegale Arbeit auf den norddeutschen Raum ausgedehnt. Die Verbindungen erstreckten sich bis nach Hannover, Braunschweig, Hildesheim, Bremen, Berlin und Schleswig-Holstein. Schmedemann fuhr wiederholt nach Dänemark. Auch wurden gefährdete Genossen in das Nachbarland geschleust. Erste Station auf der Flucht war zumeist die kleine Bauernstelle von Schmedemanns Eltern in Tangstedt. Nach einigen Tagen ging es mit der Bahn nach Flensburg, wo Ortskundige die Flüchtlinge über die Grenze brachten.

Zu den spektakulärsten Aktionen gehörte die Versendung eines von Schmedemann verfasster Berichts über die Zustände im KZ Fuhlsbüttel und insbesondere über die Misshandlung und den Tod des sozialdemokratischen Redakteurs Fritz Solmitz. Das vierseitige Papier wurde etwa 100 Rechtsanwälten, Pastoren und sogar Polizeistationen direkt zugestellt.

Ende 1934 kam die Gestapo der Widerstandsorganisation auf die Spur. Schmedemann wurde am 6. November 1934 verhaftet. Als Kern der illegalen Organisation ermittelten die Behörden neun Personen, von denen vier ins Ausland geflüchtet waren. Verurteilt wurden am 18. Juni 1935 vom Hanseatischen Oberlandesgericht wegen Vorbereitung zum Hochverrat als Haupttäter Walter Schmedemann, Otto Schumann, Georg Diedrichs, Wilhelm Ropers und Helmut Weidt sowie als Mittäterin Klara Hippe. Schmedemann erhielt mit zwei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus die höchste Strafe. Dabei gelang es den Ermittlungsbehörden nicht, den gesamten Umfang der illegalen Arbeit aufzudecken. Der KZ-Bericht war nicht Gegenstand des Verfahrens und die Herstellung der "Roten Blätter" wurde auf den inzwischen geflüchteten Emil Auhagen abgeschoben. Auch hatten sich Schmedemanns Vorsichtsmaßnahmen bewährt. Es war verabredet, bei der Verhaftung führender Genossen diese durch die verstärkte Herausgabe von schriftlichem Material zu entlasten. Tatsächlich scheint die Urheberschaft dann bei anderen vermutet worden zu sein.

Nach der Verbüßung seiner Strafe wurde Schmedemann nicht entlassen, sondern wie zuvor Helmut Weidt und Wilhelm Ropers am 11. September 1937 in das KZ Sachsenhausen überführt und hier weitere 13 Monate bis zum 15. Oktober 1938 gefangen gehalten. Trotz jahrelanger Inhaftierung war Schmedemanns Widerstandswille ungebrochen. Zusammen mit dem Hamburger Sozialdemokraten und Reichsbannermann, Emil Wellke, organisierte Schmedemann geheime Zusammenkünfte von Gesinnungsfreunden in Sachsenhausen.

Wie zuvor in Fuhlsbüttel, wo Schmedemann drei Monaten mit Eisenketten an Händen und Füßen gefesselt war und bei Vernehmungen geschlagen wurde, war er auch im KZ Sachsenhausen schwersten Misshandlungen ausgesetzt. An den auf dem Rücken zusammengebundenen Händen wurde er eine halbe Stunde an einem Pfahl aufgehängt. Die dadurch verursachten Schäden an Muskeln, Nerven und Bändern führten zu einer dauerhaften gesundheitlichen Beeinträchtigung.

Angewiesen auf die Wohlfahrtsunterstützung, lebten die Ehefrau Erna Schmedemann und die beiden Kinder während der Haftzeit in großer Not. Erna Schmedemann war im November 1934 selbst zwei Tage in Haft und wurde mit dem Entzug des Sorgerechts bedroht.

Am 1. September 1939, am Tag des Kriegsbeginns, wurde Schmedemann als einziger Hamburger Sozialdemokrat erneut verhaftet. Bis zum 11. November 1939 wurde er wiederum im KZ Sachsenhausen gefangen gehalten.

Schmedemann, der am 21. April 1933 als Mitarbeiter der Gesundheitsbehörde aus politischen Gründen entlassen worden war und bis zu seiner Verhaftung im November 1934 keine Arbeit gefunden hatte, wurde nach seiner Entlassung aus dem KZ Sachsenhausen 1938 dienstverpflichtet und nahm eine Beschäftigung in einer Farbenfabrik auf. Auch hier begann er umgehend, eine illegale Gruppe aufzubauen. Darüber hinaus hielt er weiterhin zu früheren SPD-Mitgliedern Kontakt. Als im Juli 1941 Mitarbeiter der Firma wegen illegaler Aktivitäten verhaftet wurden und Schmedemanns Arbeitskollege Friedrich Coenen in einem Prozess gegen Kommunisten zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt worden war, bestand auch für Schmedemann höchste Gefahr. Doch zu seiner Verwunderung stellte er bei seiner Vernehmung fest, dass er von niemanden belastet worden war. Später erfuhr Schmedemann, dass unter den Verhafteten sofort die Parole ausgegeben wurde, ihn unter keinen Umständen zu belasten, da sein Schicksal sonst besiegelt gewesen wäre.

Doch wurde seine Situation von anderen auch ausgenutzt. Von Kollegen gedrängt gab Schmedemann, der im Lager der Firma beschäftigt war, Farben heraus. Als dieses bemerkt wurde, drohten die Auftraggeber ihn zu denunzieren, falls er sie verrate. Um einer Überprüfung durch die Gestapo zu entgehen, gestand Schmedemann einen beabsichtigten Diebstahl der Farbe. Am 4. Juli 1943 wurde er zu vier Monaten Haft verurteilt, für die Strafaussetzung gewährt wurde. Als Schmedemann 1948 Senator werden sollte, wurde seine Vorstrafe öffentlich diskutiert. Ein interfraktioneller Ausschuss befasste sich mit dem Fall und kam zu der Überzeugung, dass Schmedemann unschuldig sei. Das Urteil wurde von der Oberstaatsanwaltschaft aufgehoben. In diesem Zusammenhang wurden noch einmal die Aktivitäten in der Farbenfirma dargelegt. Demnach gehörte Schmedemann zu denjenigen, die gegenseitig Nachrichten der alliierten Rundfunksender austauschten und die die im Betrieb beschäftigten Zwangsarbeiter mit Lebensmitteln und Kleidung versorgten. Nach Aussage der Zeugen war es üblich, dass die Betriebsangehörigen Dinge, die für die Ausländer bestimmt waren, auf Schmedemanns Schreibtisch ablegten.

Nach dem Hitler-Attentat wurde Schmedemann im Zuge der Aktion Gewitter vom 22. August bis zum 13. September 1944 im Hamburger Polizeigefängnis inhaftiert. Eine offensichtlich verunsicherte Gestapo-Führung ließ ihn in die Zentrale bringen und führte mit dem Sozialdemokraten Gespräche über die aktuelle Situation.

Als Ende März 1945 eine größere Gruppe von 30 bis 40 Sozialdemokraten zu einem geheimen Treffen zusammenkamen, war auch Walter Schmedemann dabei. Einer im April 1945 drohenden Verhaftung entzog er sich durch die Aufnahme in ein Krankenhaus.

Nach dem Ende der NS-Diktatur beteiligte sich Schmedemann am demokratischen Aufbau an führender Stelle. So übernahm er den Vorsitz der unmittelbar nach der Kapitulation aus Sozialdemokraten, Kommunisten und Gewerkschaftern gebildeten Sozialistischen Freien Gewerkschaft. In der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes übte er bis 1948, als mit der Gründung der Arbeitsgemeinschaft ehemals verfolgter Sozialdemokraten die Spaltung vollzogen wurde, das Amt des zweiten Vorsitzenden aus. Von 1945 bis 1962 war Schmedemann zweiter Vorsitzender der Hamburger SPD und anschließend noch weitere vier Jahre Beisitzer im Landesvorstand. Der Hamburgischen Bürgerschaft gehörte er von 1949 bis 1970 an. Nach seiner Wiedereinstellung bei der Gesundheitsbehörde war er dort zuletzt als Personaldezernent tätig. Von Oktober 1948 bis 1953 und von 1957 bis 1967 übte er das Amt des Gesundheitssenators aus.

In Hamburg-Langenhorn wurde 1980 die Walter-Schmedemann-Straße nach ihm benannt.

Literatur:Walter Schmedemann: Die Tätigkeit der Eilbeker Genossen in der Widerstandsbewegung nach dem Verbot der SPD im Jahre 1933, in: 125 Jahre Sozialdemokratie in Hamburg. Streiflichter aus der Geschichte der SPD. Hrsg. Hans-Joachim Kammradt, Hamburg 1988, S. 27-32; FuD, S. 137-140; HB, Bd. 2, S. 372f; Echo-Versammlung, S. 59ff; Verfolgung S. 73f.

HM

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