Tiedemann, Willi* 27.09.1897 in Hamburg † 16.09.1969 in Hamburg Prokurist, Geschäftsführer der Kulturelle Vereinigung Volksheim e.V. |
– SPD ca. 1929–1933, nach 1945 – mehrere Verhaftungen 1933 |
Leben und Werk
1912 trat Willi Tiedemann in das von Bürgermeister Dr. Burchard-Motz, Senator Heinrich Traun, Prof. Dr. Walter Classen, Dr. Wilhelm Hertz (Direktor der Jugendbehörde) und anderen in das 1901 gegründete Volksheim ein. Die Volksheime, zunächst gegründet in den Arbeitervierteln Rothenburgsort, Hammerbrook, Barmbek und Eimsbüttel, sollten eine breite gesellschaftliche Bildung der Arbeiter und Arbeiterinnen, der Kinder und Jugendlichen, im breiten Spektrum der Kultur, in Kunst, Literatur, Musik, Schauspiel, Recht, Politik und Natur ermöglichen. 1929 hieß es in der Satzung § 2: "Das Volksheim kämpft für eine alle umfassende, auf Arbeit und Verpflichtung gegen die Gesamtheit gegründete Kultur, den Sozialismus. Es will in seiner Arbeit neben den Organisationen, die den wirtschaftlichen und politischen Befreiungskampf des Proletariats führen, hergehen und helfen, die geistigen und sittlichen Grundlagen des Sozialismus vorzubereiten. Das Volksheim leistet seine Arbeit ohne parteiliche Bindung, insbesondere politischer oder gesellschaftlicher Art."
1916 trat der Sohn eines Sägemeisters in die Gewerkschaft ein, vermutlich 1929 wurde er Mitglied der SPD, nachdem er aus der Kirche ausgetreten war. Er war seit dem Ersten Weltkrieg Pazifist und engagierte sich in zahlreichen Volksheim-Jugendgruppen, wurde Jugendgruppenleiter und übernahm als Nachfolger von Dr. Wilhelm Hertz schließlich den Vorsitz im Volksheim- Verband.
Über die Zeit nach der Machtübernahme berichtete Willi Tiedemann: "Nach der Reichstagswahl am 5. März 1933 marschierten die braunen Horden ins Hamburger Rathaus ein. Gerade deshalb hängte ich bei uns die rote Fahne aus dem Fenster unserer Wohnung." Tiedemann wurde abgeholt und vorübergehend inhaftiert.
Nach 1933 gab es zahlreiche Versuche, das Volksheim "kaltzustellen". So besetzten die Sturmabteilung und die Hitlerjugend Volksheime unter dem Vorwand, dass dort Waffen versteckt würden. Tiedemann schickte zunächst Protestbriefe an die Polizeibehörde. Darauf folgten Verhaftungen und Verhöre durch die Gestapo im Stadthaus. Nur durch die Fürsprache eines noch im Dienst befindlichen höheren Polizeibeamten, der bis 1933 SPD-Mitglied war, kam Tiedemann wieder frei. Mit einer Vervielfältigungsmaschine druckte er zu Hause Flugblätter, in denen er zum Widerstand aufrief. Der Drucklärm machte Nachbarn aufmerksam. Bei einer erneuten Hausdurchsuchung wurde aber weder illegales Material noch die Maschine gefunden, die er im Ofen versteckt hatte. Es folgten wiederum Verhöre und eine vorübergehende Festnahme im Stadthaus. Seine Freilassung verdankte er einem Kriminalkommissar aus seiner Nachbarschaft, der für ihn aussagte.
Aufgrund seiner leitenden Stellung in einer Im- und Exportfirma wurde Tiedemann erst 1944 zur Wehrmacht eingezogen. Nach seiner Rückkehr aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft 1945 beteiligte sich Tiedemann zusammen mit Hinni Claasen und Carl Voscherau an der Wiedergründung des Volksheims. Der Vorstand befand, dass ohne einen hauptamtlichen Geschäftsführer der Wiederaufbau aus Ruinen und die Bewältigung der vielfältigen Aufgaben nicht möglich sei. Sie baten Willi Tiedemann, das Amt zu übernehmen. 1947 gab dieser seine Stellung als Prokurist auf und trat sein Amt als Geschäftsführer der Volksheime an. Unter seiner Leitung entstand die neue Kulturelle Vereinigung Volksheim e. V. mit Kindergärten, Jugendgruppen, Heimen der offenen Tür, öffentlichen Bibliotheken, sozialem Wohnungsbau, Kinder-, Jugend- und Erholungsheimen, Theater und ständigen Kunstausstellungen.
Literatur:
FuD, S. 149f
JT