Stoll, Richard

Foto Stoll, Richard

Stoll, Richard

* 17.11.1908

† 22.05.1993 in Kuddewörde

Graphischer Hilfsarbeiter, Klempnerhelfer

- SAJ, SPD 1927–1931, SAP 1931–1933, Leiter der Roten Falken,
Kassierer, SPD ab 1945

- 2 Jahre 6 Monate Untersuchungshaft, Gefängnis Hamburg,
Wolfenbüttel 1933–1936 wg. Verstoßes gegen die Reichstagsbrandverordnung (Prozess Pritzl und Stoll), 2 Jahre 6 Monate Bewährungsbataillon 1942–1945

- Berufsschaden

Leben und Werk


Richard Stoll trat - ebenso wie sein 1912 geborener Bruder Hans - schon früh der sozialistischen Jugendbewegung bei. Er leitete die Roten Falken in Lohbrügge und sah hier den Schwerpunkt seiner politischen Arbeit. Mit der Falkengruppe, die aus rund 30 Kindern bestand, unternahm Richard Stoll Wanderungen, sang Lieder und organisierte Sommerzeltlager.

Als Folge des Ausschlusses von Max Seydewitz, Kurt Rosenfeld und anderen aus SPD und Reichstagsfraktion mussten auch die Mitglieder der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) in Bergedorf, die sich mit den Kritikern solidarisch erklärt hatten, im Oktober 1931 die SPD verlassen. Die kleine Gruppe, zu der neben Richard und Hans Stoll auch die Brüder Hermann und Michael Pritzl gehörten, gründete kurz darauf die Sozialistische Arbeiterpartei (SAP) Bergedorf-Lohbrügge. Hier übernahm Richard Stoll das Amt des Kassierers.

Gleich nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten bereiteten sich die SAPler auf die Illegalität vor. In den Stadtteilen bildeten sie Fünfergruppen, die aus Sicherheitsgründen keinen Kontakt untereinander pflegten. Informationen konnten nur über die jeweils zuständige Person des Leitungsgremiums ausgetauscht werden.

Im April 1933 beschloss die Hamburger Leitung der SAP, in Bergedorf eine illegale Druckerei für Norddeutschland einzurichten. Neben Richard Stoll, der bis zum Verbot der Zeitung im März 1933 als graphischer Hilfsarbeiter beim Bergedorf-Sander Volksblatt gearbeitet hatte, brachte auch der Schriftsetzer Walter Becker, ebenfalls vom Bergedorf-Sander Volksblatt, die nötigen Kenntnisse zum Drucken mit. Als Herstellungsort wählte die fünfköpfige Druckergruppe - die Brüder Stoll und Pritzl sowie Walter Becker - die Wohnung der Familie Stoll. In Richards Dachgeschosszimmer fanden die Setzarbeiten statt. Die Setzkästen wurden hinter einer schrägen, herausnehmbaren Verschalung verborgen. Der Drucktiegel stand im Keller, direkt unter der Wohnung der Eltern, die von den Aktivitäten ihrer Söhne wussten. Wenn gedruckt wurde, versuchten die Genossen mit Hilfe eines Vorhangs aus Säcken, die Druckgeräusche zu dämpfen.

Von März bis August 1933 versorgte die Druckerei die illegale SAP in ganz Norddeutschland mit Informationsmaterial. Es wurden interne SAP-Mitteilungen, Flugblätter gegen die Nationalsozialisten und eine kleine Schrift mit dem Titel "Spartakusbrief" in einer Auflage von 1.000 Exemplaren hergestellt und vertrieben.

Da die Gruppe aufgrund von Hinweisen seit Ende August 1933 stündlich mit ihrer Entdeckung rechnete, vergrub Richard Stoll sämtliche Druckereiutensilien im Garten der elterlichen Wohnung. Am 27. August 1933, mitten in der Nacht, durchsuchte die Gestapo die Wohnung und verhaftete Richard Stoll. Hans Stoll entging der Verhaftung nur, weil sich kein Platz mehr im Wagen der Gestapo fand. Er nutzte die Zeit, um die anderen Genossen der Fünfergruppe zu informieren. Sie konnten zunächst in Hamburg untertauchen. Schließlich gelang allen die Flucht nach Dänemark.

Richard Stoll wurde ins Gestapo-Hauptquartier an der Stadthausbrücke gebracht, nachdem die Beamten auch im Stollschen Schrebergarten kein belastendes Material gefunden hatten. Nach schweren Misshandlungen, die zu einem bleibenden Hör- und Rückenschaden führten, erhob die Staatsanwaltschaft im Januar 1934 Anklage auf Vorbereitung zum Hochverrat. Das Urteil von zwei Jahren und sechs Monaten musste Richard Stoll in Gefängnissen in Braunschweig und Wolfenbüttel absitzen. Danach entschied die Gestapo, ihn nicht ins Konzentrationslager zu überführen.

Da Richard Stoll nach seiner Entlassung keine Arbeit in Bergedorf fand, ging er als Erntehelfer nach Mecklenburg. 1939 nahm er eine Tätigkeit im Bergedorfer Eisenwerk auf, bis er im November 1942 zum Bewährungsbataillon 999 eingezogen wurde. Infolge seines Hörschadens erlitt Richard Stoll zwei Verwundungen und geriet in amerikanische Kriegsgefangenschaft, aus der er bereits im Juni 1945 entlassen wurde.

Literatur:
Alfred Dreckmann: "Wer nicht getauft ist, aufsteh’n!, Hamburg 1987;FuD, S. 146f.

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