Schneider, Karl

Foto Schneider, Karl

Schneider, Karl

* 02.01.1906 in Offenbach/Main

† 17.08.1989

Gürtlermeister, Koch, Geschäftsführer, Beamter in der Sozialbehörde

- ISK 1929-1933, SPD ab 1947

- 5 Jahre 5 Monate Schutzhaft, Untersuchungshaft Berlin,
Zuchthaus Bremen-Oslebshausen 1938-1943 wg. Vorbereitung 1 Jahr 10 Monate Bewährungsbataillon

- Ehrverlust, Verlust des Arbeitsplatzes

Leben und Werk


Bis 1933 lebte Karl Schneider in Offenbach. Seit 1924 war er hier als Funktionär und Vorsitzender der Naturfreunde-Bewegung sowie als Mitglied der Gaujugendleitung Hessen der Naturfreunde tätig. 1929 wurde er Mitglied des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes (ISK). Frühzeitig stellte sich der ISK auf die kommende Diktatur ein und begann, sich auf die illegale Arbeit vorzubereiten.

Im Frühjahr 1933 versteckte Karl Schneider ein flüchtiges Mitglied der ISK-Leitung in seiner Wohnung vor den Nationalsozialisten. Um das Geld für die Fortführung der illegalen Arbeit gegen das NS-Regime, für die Herstellung der Reinhart-Briefe und für die Emigranten zu beschaffen, wurden in in- und ausländischen Großstädten vegetarische Gaststätten (Vega) eingerichtet. Als Mitarbeiter wurden ISK-Mitglieder eingestellt. Alle wohnten zusammen in einer Wohngemeinschaft, arbeiteten für geringes Taschengeld und finanzierten mit dem Überschuss die illegale Arbeit des ISK. Seit Herbst 1933 arbeitete Karl Schneider als Praktikant und später als Koch in der Vega in Köln. Von Erna Mros wurde er im Oktober 1934 nach Hamburg geholt, zur Vega Börsenbrücke 4. Hier kochte er täglich für 150 bis 200 Gäste, vorwiegend Börsenleute. Vor der Tagesarbeit war Karl Schneider schon auf dem Gemüse-Großmarkt, um für die Küche einzukaufen, und nach der Arbeit organisierte er die Geldabgabe. Mit Fritz Eberhard traf er sich zu diesem Zweck regelmäßig im Alsterpavillon. Nach dessen Emigration versandte Karl Schneider das Geld in Absprache mit Erna Mros, verborgen unter dem Rahmen eines Bildes oder in der Rückwand eines Kalenders, als Drucksache ins Ausland.

Neben der Führung der Gaststätte lief die politische Aufklärungsarbeit weiter. Auch wurde die politische Schulung während der Illegalität fortgesetzt. Dazu dienten verschiedene Seminare unter Leitung von Mascha Öttli (Schweiz) oder ein 14-tägiges Seminar, geleitet von Julius Philippson (Studienrat und Schulungsleiter für das Gebiet des Deutschen Reiches) 1936 in Berlin. Professor Grete Henry-Hermann, Bremen, besuchte im Turnus die verschiedenen Stützpunkte des ISK in Deutschland, um in Sokratischen Gesprächen die Motivation zur Fortsetzung des Kampfes zu vertiefen.

Infolge einer Verknüpfung unglücklicher Zufälle – der junge Hans Prawitt in Hamburg war zum Sicherheitsrisiko geworden und in Haft, und auch Curt Bär war im Juni 1936 wegen seiner Kontakte zu einer Trotzkistengruppe inhaftiert worden – gelang der Gestapo der Einbruch in die Hamburger Gruppe und später im August 1937 die Verhaftung Philippsons in Berlin. Im Jahre 1936 war sieben führenden Funktionären des ISK die Flucht ins Ausland gelungen. Nun war es an Karl Schneider, zusammen mit Anna Kothe, in Hamburg die Stellung zu halten. Schneider übernahm die Geschäftsführung der Gaststätte und die Weiterführung der illegalen Arbeit, obwohl ihm bewusst war, dass es nur noch eine Frage der Zeit sein konnte, bis weitere Verhaftungen folgen würden. Im Dezember 1937 verdichtete sich bei Schneider der Verdacht, dass auch seine Post von der Gestapo überwacht würde. Die Anfang Januar 1938 erfolgte Verhaftung von Friedrich Lohff, seiner Post-Anlaufstelle in Hamburg, war das Signal für Schneider, sofort auf eine Rundreise Hamburg-Hannover, Köln, Hannover-Berlin, Hannover-Hamburg zu gehen und unter Beachtung aller konspirativen Regeln seine ISK-Freunde zu warnen, die dann rechtzeitig fliehen konnten. Auch Schneider sollte keinesfalls länger in Hamburg bleiben. Alles wurde für ihn festgelegt: Fluchtweg und Fluchtort, Orte für postlagernde Briefe und die Passübergabe für den Grenzübertritt. Aus Sicherheitsgründen durften die Illegalen nie ihre Reisepässe bei sich tragen. Die Passübergabe an Schneider gelang nicht, weil – wie sich nach 1947 herausstellte – der Passüberbringer immer mit 24-stündiger Verspätung am nächsten Treff hinter Schneider her reiste. Von allen Verbindungen abgeschnitten und daher nicht ahnend, dass er schon per Steckbrief gesucht wurde, übernachtete Schneider in einem Hotel in Freiburg/Breisgau. Hier wurde er am 10. Februar 1938 von zwei Gestapobeamten verhaftet.

Der Häftlingstransport nach Berlin dauerte 14 Tage. Im Gefängnis Moabit angekommen, traf er auf Robert Ziegler, einen ISK-Freund. Hier erfuhr er in der Nacht vor seiner ersten Vernehmung von der veränderten Sachlage. Da alle verhafteten ISK-Freunde geglaubt hatten, dass Schneider schon im Ausland sei, hatten sie bei ihren Aussagen alles auf Schneider abgeschoben. In dieser Nacht wurde sein ganzes Konzept gegenüber der Gestapo über den Haufen geworfen: Robert Ziegler, seit Wochen eingesperrt, hatte zahlreiche Vernehmungen durch die Gestapo hinter sich und wusste durch Gegenüberstellungen und auch durch zufällige Kenntnis von schriftlichen Aussagen, dass der Gestapo schon viele Details bekannt waren. Während der Vernehmung am nächsten Morgen war es das Bestreben von Schneider, nachdem er erkennen musste, dass Leugnen nicht mehr möglich war, die Sache zu begrenzen. Das war aber nur möglich, wenn es auch für die Gestapo offensichtlich blieb, dass die Aussagen keinen "Bruch" enthielten. Indem Schneider alles auf sich nahm und die Dinge von ihm, wenn möglich, sehr stark abgeschwächt wurden, wollte er erreichen, dass weitere Gegenüberstellungen mit Freunden vermieden und weitere Verhaftungen verhindert werden konnten.

Schneider wurde in den Keller des Gestapogefängnisses in Berlin verbracht. Vom Volksgerichtshof wurde Schneider am 8. Dezember 1938 zu sechs Jahren Zuchthaus und sechs Jahren Ehrverlust wegen Vorbereitung zum Hochverrat verurteilt. Im Zuchthaus Bremen-Oslebshausen blieb er zunächst 19 Monate in Einzelhaft, in völliger Isolation. Später wurde Schneider der Außenkolonne zugeteilt und zu Zwangsarbeiten im Tiefbau verpflichtet. Am 10. Juli 1943 wurde er aus dem Zuchthaus heraus zum Bewährungsbataillon 999 eingezogen. Bis zur Kapitulation wurde er auf der Insel Leros in der Ägäis eingesetzt.

Am 1. Januar 1947 wurde Schneider aus der englischen Kriegsgefangenschaft entlassen und kehrte zurück nach Hamburg. Noch im gleichen Jahr trat er in die SPD ein. Im Komitee ehemaliger politischer Gefangener in Hamburg übernahm er zentrale Organisationsaufgaben. Im Parteibüro der SPD-Landesorganisation Hamburg arbeitete Schneider ab Mai 1948 als Sekretär und Vorsitzender der neu gegründeten Arbeitsgemeinschaft ehemals verfolgter Sozialdemokraten. Im Betriebsrat übernahm er den Vorsitz. Schneider war beteiligt an der Ausarbeitung des Hamburger Haftentschädigungs- und Wiedergutmachungsgesetzes und des Bundesentschädigungsgesetzes. Im März 1954 wurde er Leiter der mittelbewirtschaftenden Dienststelle im Landesausgleichsamt der Sozialbehörde Hamburg. Literatur:
FuD, S. 140ff

GS

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