Schär, Alfred

Schär, Alfred

* 05.08.1887 in Hamburg

† 13.02.1937 im KZ Fuhlsbüttel

Lehrer an der Hamburger Gehörlosenschule

– SPD 1930-1932, dann ISK

– 2 Tage KZ Fuhlsbüttel Februar 1937 wg. Vorbereitung zum Hochverrat

– angeblich Freitod, möglicherweise ermordet

Leben und Werk

Alfred Schär wurde als Sohn eines Schneidermeisters geboren. Er besuchte die Volksschule und das daran anschließende Seminar für Volksschullehrer. Da er bereits als Seminarist an der Schule der Hamburger Taubstummenanstalt hospitiert hatte, wurde er dort zum 1. April 1908 angestellt. Nach Ablegung der Taubstummenlehrerprüfung 1912 erhielt er an der Schule eine feste Stelle. Im folgenden Jahr begann er seine langjährige Tätigkeit am Phonetischen Laboratorium, wo er sich mit der Erforschung der Sprache Gehörloser beschäftigte und Apparate zur Sprechforschung entwickelte. Von Juni 1915 bis Dezember 1918 war Schär – zuletzt als Leutnant und Kompanieführer – im Ersten Weltkrieg. Die dort gemachten Erfahrungen ließen ihn zum Kriegsgegner werden. 1918 heiratete er und bekam mit seiner ebenfalls als Lehrerin tätigen Frau Antonie zwei Kinder. Schär legte die Kriegsreifeprüfung ab und schrieb sich im November 1919 für acht Semester an der neu gegründeten Hamburgischen Universität ein.

Schär war an wirtschaftspolitischen Fragen interessiert und engagierte sich seit den zwanziger Jahren in der Bodenreformerbewegung. Über die Theorien der freien sozialistischen Marktwirtschaft hatte er Verbindung zum Internationalen Sozialistischen Kampfbund (ISK). Politisch organisiert war er hingegen von Ende 1922/Anfang 1923 bis April 1932 in der SPD. Zu Beginn der dreißiger Jahre gehörte er als SPD-Vertreter der Volksdorfer Gemeindeversammlung an.

Durch seine politische Tätigkeit vor 1933, seine kriegsverneinenden Äußerungen und die Tatsache, dass die Familie Kontakte zu jüdischen Freunden hatte, machte sich Schär nach 1933 in den Augen so manches Volksdorfers zum "Staatsschädling". Eifrige Nachbarn meldeten der Gestapo "verdächtige Besuche" von "mit Rucksack bewaffneten Radfahrern" genauso wie tagsüber mit Vorhängen verhängte Fenster. Sie bemängelten, dass Schärs Ehefrau an einer von einer Jüdin geleiteten Privatschule unterrichtete und dass die Familie jüdische Kinder in Pension hatte. Negative Äußerungen über die NSDAP führten im August 1934 zu einer ersten Hausdurchsuchung. Die bei Familie Schär diagnostizierte "staatsfeindliche" Haltung führte zu einer öffentlichen Kundgebung von Volksdorfer Nachbarn, auf der "Der Jude als Feind der Volksgemeinschaft" thematisiert und Schär heftig angegriffen wurde. Schär wurde bei der Landesunterrichtsbehörde vorgeladen, und es wurde ihm "klar gemacht, dass er, wenn er noch einmal auffällig werden würde, nicht so einfach davon kommen würde".

Alfred Schär beteiligte sich nach 1933 an der illegalen Arbeit des ISK. Er leitete einen wirtschaftspolitischen Arbeitskreis von Mitgliedern und Freunden des Kampfbundes, der sich monatlich zum illegalen Informationsaustausch vorwiegend in der vegetarischen Gaststätte des ISK traf. Während Voruntersuchungen zu einem Prozess am Hanseatischen Oberlandesgericht gegen Mitglieder des Kampfbundes erfasste die Beobachtung auch den "ISK-Funktionär" Alfred Schär.

In der Zwischenzeit war Schär Mitglied im "Arbeitskreis der Lehrer an den Schulen für Gehör- und Sprachgeschädigte" geworden, der 1935 eine neue Prüfungsordnung für Taubstummen-, Schwerhörigen- und Sprachheillehrer entwarf. Dabei war Schär als Prüfer für das Fach Taubstummenkunde vorgesehen. Im Juli 1936 beantragte Alfred Schär bei der Landesunterrichtsbehörde, auf eine Konferenz über "Grundwertbesteuerung und Freihandel" nach London fahren zu dürfen. Doch Oberschulrat Albert Mansfeld, lehnte diesen Antrag ab, weil er Schär "nicht für einen geeigneten Vertreter deutscher Belange im Ausland" hielt. Daraufhin bat Schär die Landesunterrichtsbehörde um Erlaubnis, seinen Vortrag als Artikel in einer englischen Fachzeitschrift veröffentlichen zu dürfen. Doch noch während in der Behörde die Beratungen liefen, ob dies möglich und zu erlauben sei, wurde Schär zum 11. Februar 1937 von der Gestapo zu einer Vernehmung geladen. Im Anschluss an die Vernehmung wurde Schär in Schutzhaft genommen und am folgenden Tag in das KZ Fuhlsbüttel gebracht. Die Anklage lautete auf Beihilfe zum Hochverrat. Nach einer Mitteilung der Gestapo soll sich Alfred Schär zwei Tage nach seiner Verhaftung, am 13. Februar 1937 morgens zwischen ein und zwei Uhr, in seiner Zelle erhängt haben.

Im Rahmen der "Motivgruppe Widerstand gegen den Nationalsozialismus" wurde 1964 eine Straße in Hamburg-Lohbrügge nach Alfred Schär benannt.

Literatur:
Alfred Schär: Die Grundstückspolitik der Freien und Hansestadt Hamburg seit 1924, Hamburg o. J. [1932]; Iris Groschek: Dorothea Elkan und Alfred Schär – zwei verfolgte Taubstummenlehrkräfte im "Dritten Reich", in: Das Zeichen. Zeitschrift zum Thema Gebärdensprache und Kommunikation Gehörloser (37) 1996, S. 311-317; FuD, S. 135f; HB, Bd. 2, S. 363ff.

IG

Kommentare sind geschlossen.