Saalfeld, Rudolf

Foto Saalfeld, Rudolf

Saalfeld, Rudolf

* 26.09.1902 in Hamburg
† 06.12.1991 in Hamburg

Elektriker, Gewerkschaftssekretär

- SPD (SAJ?) 1918-1933, Distriktsführer, Reichsbanner,
SPD ab 1945, Distriktsvorsitzender, MdBü

- 7 Wochen Schutzhaft Hamburg 1933, 1 Jahr 5,5 Monate
Untersuchungshaft, Gefängnis Hamburg 1934-1936 wg. Verstoßes
gegen das Gesetz gegen die Neubildung von Parteien (Prozess Saalfeld und Genossen), Zwangsarbeit 1944/45

- rassisch und politisch Verfolgter

Leben und Werk


Rudolf Saalfeld wurde als siebtes Kind des Zigarrenmachers Eli Saalfeld geboren. Der Vater war jüdischer Abstammung ohne Konfession (Freidenker), die Mutter protestantisch. Die insgesamt acht Kinder wuchsen ohne religiöse Bindung in einem sozialdemokratisch und gewerkschaftlich geprägten Elternhaus auf. Eli Saalfeld war als Sekretär der Tabakarbeiter-Gewerkschaft tätig und betrieb ein Tabakwarengeschäft, das zugleich als Zahlstelle der Gewerkschaft und als Treffpunkt für SPD-Mitglieder diente. Am 30. Oktober 1913 wurde er als SPD-Abgeordneter Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft.

Rudolf Saalfeld gehörte mit seinen Geschwistern der Arbeiterjugend in Eimsbüttel an und erlernte den Beruf eines Elektrikers. 1916 trat er der Gewerkschaft bei, zwei Jahre später wurde er Mitglied der SPD. Auf der Veddel war er später als SPD-Distriktsvorstandsmitglied aktiv, hier setzte er sich für die sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft der Kinderfreunde ein und übernahm den örtlichen Vorsitz. 1924 trat er dem Reichsbanner bei.

Rudolf Saalfeld nahm am 16. Juni 1933 an der Parteivorstands- und -ausschusssitzung im Redaktionsgebäude des "Hamburger Echo” in der Fehlandstraße teil. Dem hier noch gewählten Parteivorstand gehörte auch Saalfeld an. Bei der Besetzung des Hauses durch die Gestapo wurde er verhaftet. Am 22. Juli 1933 kam er wieder frei. Anschließend beteiligte er sich aktiv am sozialdemokratischen Widerstand. Saalfeld unterhielt Kontakt zu Herbert Dau, der für die Sozialdemokraten in Rothenburgsort als Verbindungsmann zur illegalen Hamburger SPD-Parteiführung fungierte. Im September 1934 wurde Saalfeld im Zusammenhang mit einer Verhaftungsaktion gefangen genommen, die sich vor allem gegen die illegale Sozialistische Arbeiterpartei (SAP) um den letzten Vorsitzenden Arthur Busch richtete.

Als im August 1934 Mitglieder der illegalen SAP auf der Uhlenhorst Flugblätter verteilten mit dem Aufruf, bei der Abstimmung über die Zusammenlegung der Ämter des Reichspräsidenten und des Reichskanzlers am 19. August 1934 mit "Nein" zu stimmen, wurden mehrere Aktivisten verhaftet. Den Nationalsozialisten gelang es mit ihren Foltermethoden, die Hintermänner zu ermitteln. Am 17. September 1934 wurde Arthur Busch verhaftet, eine Woche später Rudolf Saalfeld. Bis zum 25. Oktober 1934 saß er in Fuhlsbüttel in Schutzhaft, dann in Untersuchungshaft. Zusammen mit 20 Mitangeklagten wurde ihm am 2. Mai 1935 vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht der Prozess gemacht. Saalfeld hatte offensichtlich Flugblätter der Busch-Gruppe entweder für die eigene Widerstandsarbeit genutzt oder nur weitergegeben. Der ganze Umfang seiner Aktivitäten kam jedenfalls nicht zum Vorschein. Nicht einmal die Verteilung von Flugblättern konnte Saalfeld nachgewiesen werden. Lediglich die Weitergabe von Flugblättern an einen mit der Verbreitung beauftragten Genossen hatte er in zwei Fällen zugegeben. Rudolf Saalfeld folgte damit einer gängigen Verteidigungsstrategie. Er belastete eine andere Person, die bekanntermaßen untergetaucht war. Der Vorwurf der Vorbereitung zum Hochverrat ließ sich damit nicht aufrechterhalten. Saalfeld wurde aber zur Last gelegt, dass mit der planmäßigen Flugblattversorgung auf der Veddel die Aufrechterhaltung eines organisatorischen Zusammenhalts einer im Gegensatz zur NSDAP stehenden politischen Partei bezweckt worden sei. Wegen Verstoßes gegen das Gesetz gegen die Neubildung von Parteien vom 14. Juli 1933 wurde Rudolf Saalfeld zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Am 3. April 1936 wurde er nach der Strafverbüßung in Fuhlsbüttel aus der Haft entlassen.

Nach der Freilassung war Rudolf Saalfeld zunächst arbeitslos, dann Hilfsarbeiter und vom 14. November 1941 bis 21. Juli 1942 als Bordelektriker auf Handelsbegleitschiffen der Horn-Reederei tätig. Wegen Wehrunwürdigkeit wurde er entlassen. Ihm wurde die Fahrerlaubnis entzogen. Nach einer vorübergehenden Beschäftigung bei der Firma Kramke als Elektriker musste er im letzten Kriegsjahr aus sogenannten rassischen Gründen zwangsweise Aufräumungsarbeiten leisten.

Sofort nach Ende des Krieges hat Rudolf Saalfeld aktiv am Aufbau der SPD und der Gewerkschaften teilgenommen. Er wurde SPD-Distriktsvorsitzender in Eimsbüttel sowie Kreis- und Landesdelegierter der SPD. Zunächst war Rudolf Saalfeld beim Hamburger Arbeitsamt tätig. Dann übernahm er leitende Funktionen in der Gewerkschaft, ab 18. September 1946 DGB-Sekretär und von 1949 bis 1959 1. Bevollmächtigter (1. Vorsitzender) der Hamburger IG Metall sowie stellvertretender Vorsitzender des DGB-Ortsausschusses Hamburg. Von 1953 bis 1957 gehörte er der Hamburgischen Bürgerschaft an. Zuletzt war er bei den Hamburgischen Elektrizitätswerken und weiter ehrenamtlich im Bereich der SPD und der Gewerkschaften tätig. Literatur:
FuD, S. 131f; Echo-Versammlung, S. 55ff; Verfolgung S. 48

HS

Originalquelle zu Rudolf Saalfeld

Rudolf Saalfeld (1)
(Die Verhaftung der gesamte Parteiführung der SPD 1933) Damals war ich dabei.

Diese Erinnerung rief ein Bericht im „Hamburger Kurs“ über den Hamburger Reichstagsabgeordneten vor 1933, Hans Staudinger, in mir wieder wach. Die dort angesprochene Versammlung am 16. Juni 1933 im Gebäude des früheren „Hamburger Echo“ (unsere damalige Parteizeitung) war von Adolph Schönfelder arrangiert worden. Er war einer der Geschäftsführer des Verlags Auer & Co., bei dem das „Echo“ erschien. Als Deckmantel dieser an sich illegalen Versammlung war die Weiterführung dieser Zeitung unter den gegenwärtigen Verhältnissen angegeben. Als solche war sie nach Angaben Schönfelders von den Nazis erlaubt worden. Es kam alles ganz anders. Vertreter aller Distrikte und der Parteivorstand und führende Parteigenossen, wie Staudinger, Schönfelder, Gustav Dahrendorf, Walter Schmedemann, Karl Meitmann und Dr. Mette waren anwesend. An Ihrer erinnere ich mich. Viele dieser Teilnehmer leben heute nicht mehr.

Es wurde über die illegale Weiterführung der SPD debattiert. Es gab langwierige und gegensätzliche Auseinandersetzungen, die die Debatte in die Länge zogen. Schönfelder als Versammlungsleiter warnte laufend, die Versammlung zu beenden. Ein neuer Parteivorstand wurde schließlich gewählt, dem ich angehörte. Es musste damit gerechnet werden, dass wir überwacht und bespitzelt wurden. Vielleicht war es so gewollt, da wir hier alle zusammen waren. Denn plötzlich meldete uns der Hauswart, daß SA-Leute in das Gebäude eindrangen. Auch die großen Fensterscheiben splitterten und klirrten, denn auch von dort drangen über Dächer uniformierte und bewaffnete SA-Leute in den Saal.

Hier hatten kurz vorher beschlossen, daß niemand flüchten sollte. Wer verdächtiges Material bei sich hatte, sollte es vernichten. Wir wurden sofort zusammengetrieben und unter Stoßen und Schubsen am Körper durchsucht. Jeder Protest wurde gewaltsam unterdrückt. Wahrscheinlich hatten sie verdächtige Papiere gefunden. Denn darauf gründete sich unsere anschließende Verhaftung. Unter rauhbeiniger Behandlung wurden wir in Bussen ins Polizeipräsidium (Stadthaus) gebracht und dort in die Kellerräume getrieben. Dort mußten wir in den Gängen mit dem Gesicht zur Wand viele Stunden stehen. Wir durften weder reden oder auch nur uns berühren, sofort setzte es Knüffe und Schläge und üble Beschimpfungen. Dann wurden wir einer nach dem anderen vernommen. Dabei erging es unseren Adolph Schönfelder am schlechtesten, ich hörte ihn mehrmals schreien. An jenes möchte ich ändern. Einem von uns war es gelungen zu entkommen. Es war Dr. Mette, der damalige Kulturleiter beim Hamburger Parteivorstand. Er war in die oberen Etagen geflüchtet und hatte sich in einem der Zimmer auf einem Schrank versteckt. Auch bei der Hausdurchsuchung wurde er nicht entdeckt. Wie er aus dem noch lange bewachten Haus herausgekommen ist, weiß ich nicht. So konnte er uns später sehr nützlich sein. Im Keller des Stadthauses standen Georg Raloff und ich zusammen. Wir empörten uns gegen die groben Mißhandlungen, die besonders Adolph Schönfelder betrafen. Aber wir wurden gewaltsam zur Ruhe gebracht. Einer nach dem anderen wurden wir verhört. Das dauerte viele Stunden lang, in denen wir auf den Gängen stehen mußten ohne uns zu rühren. Es kamen wohl sämtliche Nazigrößen, um uns einzeln zu mustern. Gegen Mitternacht kamen der Gauleiter Kaufmann und der Arbeitsfrontleiter Habedank, um uns zu sehen. Danach wurden wir in das Untersuchungsgefängnis gebracht und dort einzeln in Zellen verteilt. Auch beim Spaziergang im Gefängnishof wurden wir von Marine-SA  streng bewacht und weit auseinandergehalten.

In meiner Zelle traf ich auf einen politischen Gefangenen. Er wurde sehr viel zur Vernehmung zur Gestapo geführt. Stets kam er fürchterlich zugerichtet zurück. Als ich einmal Tücher verlangte, wurde mir strikt jede Hilfe verboten. Er selbst glaubte, nicht mehr mit dem Leben davonzukommen.

Unsere Verteidigung übernahm der Anwalt Dr. Ruscheweyh. Etwa 13 Wochen blieben wir in Haft im UG. Danach wurden wir nacheinander ohne Prozeß entlassen. Die führenden Genossen - ich weiß es insbesondere von Gustav Dahrendorf - blieben noch länger in Haft.

Dr. Mette traf ich später wieder. Er hatte in der Kaiser-Wilhelm-Straße ein Zigarrengeschäft eingerichtet. Das war unsere Zentrale, in der ich noch kassierte Beiträge der Genossen meines Distrikts abführte. Wir kamen auch immer noch zusammen auf Wanderungen, Radtouren, Barkassenfahrten und geselligen Zusammenkünften. Bis zu meiner zweiten Verhaftung am 24. September 1934, die weitaus dramatischer verlief.   (1) Rudolf Saalfeld (Die Verhaftung der gesamten Parteiführung der SPD 1933), o.D., FZH, 8332 SPD 1933-1945 Berichte.

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