Ruscheweyh, Herbert* 13.11.1892 in Hamburg † 11.03.1965 in Hamburg Rechtsanwalt, Präsident des Hanseatischen Oberlandesgerichts |
– SPD 1918-1933, MdBü, Präsident der Hamburgischen Bürgerschaft – Haft 1933, 1 Monat Schutzhaft 1944 (Gewitteraktion) – Berufsbeschränkung |
Leben und Werk
Herbert Ruscheweyh wurde als Sohn eines Hausmaklers in Hamburg-Hohenfelde geboren. Er wuchs in bürgerlichen Verhältnissen auf und besuchte nach der Volksschule in der Realschule "Vor dem Lübecker Tor" ab 1899 das Matthias-Claudius-Gymnasium in Wandsbek. Hier legte er 1911 seine Reifeprüfung ab, anschließend studierte er Rechtswissenschaft in Neuenburg/Schweiz, München und Kiel. Nach der Ersten juristischen Staatsprüfung 1914 leistete Ruscheweyh als Freiwilliger Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg. 1918 wurde er an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel mit einer Dissertation über die Entwicklung des deutschen Jugendgerichts promoviert. Nachdem er in Hamburg 1921 die Zweite juristische Staatsprüfung abgelegt hatte, machte er sich in der Hansestadt als Rechtsanwalt selbstständig. Zusammen mit dem Bürgerschaftsabgeordneten der Deutschen Demokratischen Partei, Max Eichholz, der später von den Nationalsozialisten als Jude verfolgt und ermordet wurde, unterhielt Ruscheweyh eine Sozietät.
Unter dem Eindruck der Kriegserlebnisse trat Ruscheweyh 1917 in die SPD ein, zwei Jahre später wurde er in den großen Arbeiterrat gewählt. Ruscheweyh, der seit 1928 der Hamburgischen Bürgerschaft angehörte, wurde nach den Neuwahlen am 4. November 1931 zum Präsidenten der Bürgerschaft gewählt. Er übernahm das Amt in einer schwierigen Zeit – die bisherigen Regierungsparteien hatten die Mehrheit verloren, ohne dass eine neue regierungsfähige Mehrheit zustande kam -, die von einer zunehmenden politischen Radikalisierung gekennzeichnet war. Die Nationalsozialisten, die in Hamburg ihren ersten großen Wahlerfolg erzielt hatten, machten entgegen dem demokratischen Brauch der stärksten Parlamentsfraktion den Anspruch auf das Amt des Bürgerschaftspräsidenten streitig. Ruscheweyh wurde erst im dritten Wahlgang mit relativer Mehrheit gewählt. Als bei der erneuten Wahl am 24. April 1932 die NSDAP knapp vor der SPD lag und nun ihrerseits Anspruch auf das Präsidentenamt erhob, revanchierten sich die Sozialdemokraten und setzten wiederum im dritten Wahlgang Ruscheweyh durch.
Herbert Ruscheweyh blieb bis Ende März 1933 im Amt. Ihm oblag die schwere Aufgabe, am 8. März 1933 den unter Führung der Nationalsozialisten gebildeten neuen Senat zu vereidigen. Es war zugleich die letzte demokratische Handlung in der Hansestadt. Die Nationalsozialisten scherten sich nicht um ihren Eid, der Verfassung die Treue zu halten und die Gesetze zu achten. Erfolglos setzte sich Ruscheweyh bis zum Schluss für die unter Bruch der Immunität verhafteten Abgeordneten von SPD und KPD ein. Mit dem Vorläufigen Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich vom 31. März 1933 endete seine Amtszeit.
Ruscheweyh war während der NS-Zeit als Anwalt tätig und erwarb sich schnell einen Ruf als Verteidiger in politischen Prozessen. So verteidigte er 1933 Julius Leber vor dem Lübecker Schwurgericht. Obwohl Ruscheweyh auf Betreiben der Gestapo ab 1934 nicht mehr in Hoch- und Landesverratsprozessen als Verteidiger auftreten durfte, war er häufig der Anwalt, bei dem in Hamburg politisch verfolgte Sozialdemokraten zunächst Rat suchten. Nach dem Hitler-Attentat wurde auch Ruscheweyh vom 22. August bis zum 18. September 1944 im KZ Fuhlsbüttel gefangen gehalten.
Nach dem Ende des NS-Regimes beteiligte sich Ruscheweyh am demokratischen Aufbau. Am 30. Oktober 1945 wurde er zum Präsidenten der Anwaltskammer gewählt. Schon wenige Monate später gab er seine anwaltliche Tätigkeit auf und übernahm am 2. Januar 1946 das Amt des Vizepräsidenten des Hanseatischen Oberlandesgerichts. Am 1. Oktober 1946 wurde er Präsident des Gerichts. Als letzter demokratischer Bürgerschaftspräsident eröffnete er am 27. Februar 1946 die von der britischen Militärregierung ernannte Bürgerschaft. Von 1948 bis 1951 amtierte Ruscheweyh als Präsident des Deutschen Obergerichts für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet in Köln. Er wirkte an der Hamburgischen Verfassung von 1952 mit und wurde erster Präsident des Hamburgischen Verfassungsgerichts. Als Oberlandesgerichtspräsident war er durch die in Personalunion geführten Ämter zugleich höchster Richter am Hamburgischen Oberverwaltungsgericht. Ruscheweyhs Ruf als anerkannter Jurist reichte weit über Hamburgs Grenzen hinaus. Er übernahm neben seiner richterlichen Tätigkeit internationale und nationale Aufgaben. Seit 1946 war er an der Universität Hamburg als Lehrbeauftragter tätig, 1951 ernannte der Senat ihn zum Honorarprofessor. 1961, ein Jahr nach dem Eintritt in den Ruhestand, wurde Ruscheweyh in Anerkennung seiner Verdienste das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. In Wandsbek wurde 1975 eine Straße nach ihm benannt.
Literatur:
Herbert Ruscheweyh: Die Entwicklung des deutschen Jugendgerichts, Weimar 1918; Herbert Ruscheweyh 1892-1965, Gedächtnisschrift hrsg. von der Landesjustizverwaltung der Freien und Hansestadt Hamburg, Hamburg 1966; Hans-Joachim Kurland: Richter: Ernst Friedrich Sieveking – Max Mittelstein – Herbert Ruscheweyh, in: Recht und Juristen in Hamburg, hrsg. von Jan Albers u.a., Köln 1994, S. 325-342; FuD, S. 125f; HB, Bd. 3, S. 322; Echo-Versammlung, S. 53f; Verfolgung S. 72f
HM