Prawitt, Hans* 03.10.1913 in Hamburg † 1944 in einem Außenlager des KZ Buchenwald Schriftsetzerlehrling |
– SAJ 1930/31, ISK 1933 – 7 Jahre Gefängnis, Schutzhaft, Zuchthaus, KZ Fuhlsbüttel, Bremen-Oslebshausen, Sachsenhausen, Neuengamme, Buchenwald 1936–1944 wg. Vorbereitung zum Hochverrat (Prozess Prawitt und Bär) – Ehrverlust |
Leben und Werk
Hans Prawitt besuchte die Lichtwarkschule und gelangte über seinen Mitschüler Hellmut Kalbitzer zum Internationalen Sozialistischen Kampfbund (ISK). Überdies trat Prawitt als Schriftsetzerlehrling noch im Januar 1933 einer Jugendgruppe des freigewerkschaftlichen Zentralverbandes der Angestellten in Bergedorf bei. Der Kontakt zu dieser Gruppe erlaubte auch nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten einen gewissen Zusammenhalt. Beispielsweise dienten nach außen unpolitische Wanderungen dem Meinungs- und Informationsaustausch. Darüber hinaus konnte Prawitt auf diesem Weg einige der ehemaligen Gewerkschaftsmitglieder für die Untergrundarbeit des ISK gewinnen.
Um die Jahreswende 1933/34 formierte sich im Großraum von Hamburg und Bremen eine illegale Gruppe des Kampfbundes, zu der Prawitt gehörte. Die Leitung dieser zunächst rund 25 Personen umfassenden Gemeinschaft lag bei dem langjährigen Genossen Walter Brandt und der Kindergärtnerin Erna Mros. Auch der Studienrat für Mathematik, Curt Bär, rechnete zum engeren Führungskreis des aus Gründen der Sicherheit in Fünfergruppen gegliederten Zirkels. Als Mitglied einer solchen Untereinheit verteilte Prawitt die phasenweise allmonatlich erscheinenden Reinhart-Briefe des ISK sowie andere regimekritische Flugschriften, die er zum Teil gemeinsam mit Brandt verfasst hatte. Zudem nahm er an konspirativ stattfindenden Schulungs- und Diskussionsabenden teil.
Im August 1935 unterlief Hans Prawitt ein Missgeschick, das weit reichende Konsequenzen nach sich zog. Während einer Kurierfahrt mit dem Fahrrad verlor er ein Päckchen mit Reinhart- Briefen. Da sich das verbotene Material in einem namentlich gekennzeichneten Brotbeutel seiner Schwester befand, floh Prawitt aus Furcht vor einer Entdeckung nach Dänemark. Als sich diese als Ferienreise getarnte Vorsichtsmaßnahme als unbegründet erwies, denn die befürchteten Ermittlungen der Gestapo blieben aus, kehrte Prawitt im November nach Hamburg zurück. Hier wohnte er fortan in einem katholischen Hospiz, wo er offenbar bereitwillig Unterschlupf gefunden hatte.
Doch die Gefahr war keineswegs gebannt. Ebenso wie Curt Bär unterhielt Hans Prawitt bereits seit 1933 nicht nur Kontakte zu einer Widerstandsgruppe der verbotenen KPD, sondern er tauschte sich auch mit den in Hamburg aktiven Trotzkisten um Walter Munter und Heinz Leidersdorf aus. Nach dessen Verhaftung im Herbst 1935 geriet Prawitt rasch ins Visier der Gestapo und konnte gerade noch rechtzeitig in Hannover untertauchen. Als seine dortigen Freunde merkten, dass er dem zermürbenden Leben in der Illegalität nervlich nicht mehr gewachsen war, empfahlen sie ihm, endgültig ins Ausland zu gehen. Mit ihrer Hilfe kam Prawitt daraufhin in Verbindung mit Ludwig Gehm, einem umtriebigen ISK-Genossen aus Frankfurt am Main, der ihn am 7. März 1936 per Motorrad bis an die Grenze nach Frankreich bei Pirmasens brachte. Aber der an sich gut vorbereitete Emigrationsversuch scheiterte. Nachdem sich Gehm sicherheitshalber von Prawitt getrennt hatte, wurde dieser von französischen Grenzbeamten aufgegriffen, umgehend nach Deutschland abgeschoben und hier wegen Passvergehens zu fünf Wochen Gefängnis verurteilt. Kurz vor seiner Haftentlassung aufgrund einer behördeninternen Routineanfrage im Mai 1936 an die Gestapo nach Hamburg ausgeliefert, verstand Prawitt es anfangs hervorragend, harmlose Begründungen für seinen gescheiterten Wohnortswechsel zu erfinden.
Unterdessen war Curt Bär aufgrund seiner eher sporadischen Treffen mit der Trotzkisten-Gruppe verhaftet worden. Als Prawitt den ebenfalls in dem Gestapogefängnis Fuhlsbüttel eingesperrten Bär eines Tages im Rahmen der Essensausgabe erstmals nach seiner unfreiwilligen Rückkehr nach Hamburg sah, erlitt er einen schweren Nervenzusammenbruch, da er mit einigem Recht die Aufdeckung seines Täuschungsmanövers befürchten musste. Während Bär ähnliche Sorgen hegte, jedoch zuversichtlich und standhaft blieb, öffnete sich der geistig verwirrte Prawitt der Gestapo und gab ihr bereitwillig Auskunft über die bis dahin kaum durchschauten Untergrundstrukturen des ISK. Durch einen Kassiber von Bär gewarnt, rettete sich Erna Mros genauso wie sechs andere Genossen ins Ausland, weil ihr die Enthüllungen von Prawitt überaus gefährlich werden konnten.
Der vormals äußerst zuverlässige Genosse Hans Prawitt wurde für etliche Monate in die psychiatrische Anstalt Langenhorn eingeliefert, trotzdem verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Häftlings zusehends. Indessen gelang der Gestapo eine groß angelegte Verhaftungsaktion gegen die Widerstandsgruppen des ISK, die sich vorerst auf Hamburg und Frankfurt am Main beschränkte, dann aber im gesamten Reichsgebiet fortgesetzt wurde. So traf es im August 1937 den überbezirklich tätigen Julius Philippson. Der in Berlin lebende Funktionär hatte unter anderem vor gut zwei Jahren einen auch von Prawitt besuchten ISK-Lehrgang im Sauerland geleitet.
Es war im November 1937, als Hans Prawitt zusammen mit Curt Bär und einem weiteren Genossen per Zug von Hamburg nach Berlin verbracht wurde. Die vor dem Volksgerichtshof verhandelte Anklage lautete auf Vorbereitung zum Hochverrat. Nach wie vor desorientiert, bekam Prawitt einen Pflichtverteidiger, der sich kaum die Mühe machte, die Anklageschrift zu lesen. Auch die Haftpsychose seines Mandaten interessierte ihn nicht, obwohl diese womöglich strafmildernd gewirkt hätte. Während Bär vier Jahre erhielt, wurde Prawitt vom Volksgerichtshof zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. Die Untersuchungshaft sollte auf die Haftzeit angerechnet werden. Mit Zwischenstationen landete Prawitt schließlich ebenso wie Bär in dem bei Bremen gelegenen Zuchthaus Oslebshausen.
In diesem wegen seiner miserablen Haftbedingungen berüchtigten Zuchthaus hatte Hans Prawitt die ersten Monate in einer Einzelzelle zu verbringen. Aufgrund seines nicht regelgerechten Verhaltens drohten ihm als Folge seiner geistigen Verwirrtheit permanent zusätzliche Straferschwernisse. Zwischenzeitlich musste Prawitt gemeinsam mit Curt Bär in Hamburg als Zeuge gegen Hellmut Kalbitzer und andere in Haft geratene ISK-Genossen auftreten. Ein Gnadengesuch, das die Angehörigen von Prawitt 1941 stellten, wurde kurzerhand und mit einer fadenscheinigen Begründung abgelehnt. Nach Ansicht der vom zuständigen Oberreichsanwalt kontaktierten Gestapo-Leitstelle in Hamburg handelte es sich bei dem eingetrübten Prawitt um einen raffinierten und gefährlichen Funktionär, der seine Strafe voll zu verbüßen hatte. Selbst nach dem Ablauf der regulären Haftzeit kam der angeblich unverbesserliche Prawitt nicht frei. Vielmehr wurde er nacheinander in mindestens drei Konzentrationslager verschleppt. Zunächst in Sachsenhausen inhaftiert, gelangte er letztlich über Neuengamme nach Buchenwald, wo er vermutlich 1944 verstarb.
Literatur:
FuD, S. 116ff
MW