Eggerstedt, Otto* 27.08.1886 in Kiel Bäcker, Parteisekretär, Polizeipräsident in Altona |
– SPD ca. 1904 bis 1933,Vorsitzender in Kiel, Stadtverordneter in Kiel, MdR – 4 Monate Schutzhaft Kiel, Papenburg, Esterwegen 1933 – als Polizeipräsident abgesetzt 1932 |
Leben und Werk
Otto Eggerstedt besuchte in Kiel die Mittelschule und erlernte das Bäckerhandwerk. Frühzeitig schloss er sich der Gewerkschaft und der Sozialdemokratie an. Nach vier Jahren Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg war er von Februar bis Juli 1919 als Geschäftsführer des Arbeiter- und Soldatenrates von Groß-Kiel tätig. Bis zu seiner Berufung in den preußischen Verwaltungsdienst 1927 arbeitete er als Parteisekretär und führte die Kieler SPD. Auch dem schleswig-holsteinischen SPD-Bezirksvorstand gehörte er ab 1920 an. Bis 1924 war er Stadtverordneter in Kiel und von 1921 bis 1933 Abgeordneter des Deutschen Reichstags. Eggerstedt gehörte damit zu den profiliertesten schleswig-holsteinischen SPD-Politikern.
Nach seinem Eintritt in den höheren Verwaltungsdienst der Polizeiverwaltung übernahm Eggerstedt im April 1928 die Leitung des Polizeiamtes Wandsbek, im darauf folgenden Jahr die Leitung des Polizeipräsidiums in Altona. Eggerstedts Amtszeit als Polizeipräsident wurde vom Altonaer Blutsonntag überschattet. Am 17. Juli 1932 forderten Zusammenstöße zwischen NSDAP, KPD und Polizei in der Altonaer Altstadt 18 Todesopfer. Obwohl Eggerstedt ortsabwesend war und die Verantwortung bei seinem Stellvertreter lag, erklärten Nationalsozialisten und Kommunisten den Polizeipräsidenten zum Hauptverantwortlichen und diffamierten ihn öffentlich. Die Ereignisse dienten Reichskanzler Franz von Papen als weiterer Vorwand, um am 20. Juli 1932 die demokratisch gewählte preußische Regierung durch einen Staatsstreich abzusetzen. Eggerstedt wurde umgehend mit Wirkung vom 21. Juli 1932 in den einstweiligen Ruhestand geschickt.
Obwohl ein Dienststrafverfahren später eingestellt wurde, konnte Otto Eggerstedt seinen Dienst nicht wiederaufnehmen. Die Nationalsozialisten hatten inzwischen die Macht übernommen und ihn entlassen.
Ab dem Sommer 1932 engagierte sich Eggerstedt wieder verstärkt in der Parteiarbeit. Noch im Januar 1933 übernahm er erneut den SPD-Ortsvereinsvorsitz in Kiel.
Der nationalsozialistische Terror erreichte in Schleswig-Holstein einen neuen Höhepunkt, als in der Nacht vom 11. auf den 12. März 1933 in Kiel der Rechtsanwalt und SPD-Politiker Wilhelm Spiegel ermordet wurde. In einer mutigen Trauerrede für den Freund legte Eggerstedt ein Bekenntnis zur Freiheit ab und kündigte den Nationalsozialisten damit eine Fortsetzung des politischen Kampfes an. Doch schließlich musste auch Otto Eggerstedt weichen. Der ehemalige Polizeipräsident war eine besondere Zielscheibe der Nationalsozialisten. Ein gegen ihn angestrengtes Ermittlungsverfahren veranlasste Eggerstedt unterzutauchen. Ein Hinweis an die Polizei führte Ende Mai 1933 zu seiner Verhaftung bei Lütjensee im Kreis Stormarn.
Seinen Parteifreunden war bewusst, dass sich Otto Eggerstedt in höchster Lebensgefahr befand. Doch die bereits im Untergrund arbeitende schleswig-holsteinische SPD-Bezirksspitze war Mitte Mai 1933 zerschlagen worden. Als der Bezirksvorsitzende Willy Verdieck und sein Stellvertreter Richard Hansen zu Gesprächen nach Flensburg reisten, wurden sie erkannt. Während Verdieck verhaftet wurde, gelang Hansen die Flucht nach Dänemark. Von hier aus organisierte er mit finanzieller Unterstützung dänischer Sozialdemokraten einen Fluchtversuch für Otto Eggerstedt. Ein Krankenhausaufenthalt sollte für die Befreiung genutzt werden. Der Plan war bereits abgesprochen und der Tag der Flucht vereinbart. Eine Anzeige aus dem engsten Familienkreis machte alles zunichte – ein Verrat mit tödlichen Folgen, wie sich wenig später herausstellte. Direkt aus dem Altonaer Krankenhaus erfolgte am 12. August 1933 Eggerstedts Überstellung in das KZ Esterwegen. Bei einem Einsatz in einem Sonderkommando wurde der bereits grausam misshandelte und gequälte Otto Eggerstedt am 12. Oktober 1933 von zwei Wachleuten gezielt erschossen. Nach 1945 konnte der noch lebende Mörder vor Gericht gestellt werden. Nach 13 Jahren Gefängnis wurde der zu lebenslanger Haft verurteilte Täter begnadigt.
In Hamburg erinnert seit 1951 die Eggerstedtstraße in Altona an den SPD-Politiker.
Literatur: Wolfgang Kopitzsch: Otto Eggerstedt (1886-1933), in:Demokratische Geschichte, 3, 1988, S.44 7-449; Rainer Paetau unter Mitarbeit von Wolfgang Kopitzsch und Gerhard Stahr: Die Ermordung des Reichstagsabgeordneten Otto Eggerstedt 1933 im Spiegel der Justizurteile von 1949/50. Geschuldete Erinnerung, in: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte, 119, 1994, S.195-259; FuD, S. 52f; HB, Bd. 2, S. 113f
HM