David, Fanny

David, Fanny

* 02.12.1892 in Berlin
† Oktober 1944 in Auschwitz

Wohlfahrtsstellenleiterin, Leiterin des jüdischen Wohlfahrtswesens

– SPD vor 1933

– deportiert nach Theresienstadt, dann Auschwitz 1944

– Verlust des Arbeitsplatzes

– rassisch und politisch Verfolgte

Leben und Werk

Am 2. Dezember 1892 in Berlin geboren, kam Fanny David noch als Kind mit ihrer Mutter nach Altona, wo sie mit ihrer dort geborenen Schwester Irma in finanziell recht beengten Verhältnissen aufwuchs. Nach der Schul- und Ausbildungszeit, über die wir kaum etwas wissen, fand die junge Frau nach dem ersten Weltkrieg dann in Hamburg das ihr gemäße Betätigungsfeld. Hier mussten nach den Kriegsnöten viele neue Initiativen entfaltet werden. Als Ergebnis längerer Überlegungen zur zweckmäßigen Zusammenfassung der gesamten fürsorgerischen Arbeit hatte die Bürgerschaft im Mai 1920 die Schaffung eines Wohlfahrtsamtes beschlossen, das 1921 seine Arbeit aufnahm. Der Staat musste angesichts des weitgehenden Zusammenbruchs der privaten Hilfstätigkeit im Verlauf des Krieges und der Inflation und der beispiellosen Not der Nachkriegszeit zahlreiche soziale Aufgaben übernehmen. Der neue Volksstaat bekannte sich zu diesen Verpflichtungen, unter anderem durch die Fürsorgepflichtverordnung vom 13. Februar 1924.

Fanny David hat mit großem Ernst das durch die Verordnung abgesteckte Tätigkeitsfeld abgeschritten und binnen kurzer Zeit umfassende Erfahrungen gewonnen. Dabei interessierte die engagierte Sozialdemokratin immer nur die Frage, welche Möglichkeiten ihr Gesetze und Verordnungen boten, um Menschen zu helfen. Sie brachte für ihre verantwortungsvolle Tätigkeit besondere Voraussetzungen mit: gute Menschenkenntnis, Geduld und Verständnis sowie innere Ausgeglichenheit selbst in schwierigsten Situationen und bei extremen Belastungen. Aufgrund dieser Eigenschaften und ihrer Sachkenntnis wurde sie sehr bald in eine der wichtigsten Wohlfahrtsstellen, nach Barmbek-Nord, versetzt, die sie dann während der Wirtschaftskrise von 1930 bis 1933 leitete.

In den elf Wohlfahrtsstellen der Stadt war Fanny David die einzige Frau in verantwortlicher Stellung. Unermüdlich spornte sie ihre Mitarbeiter an, zu helfen, selbst wenn es ihnen angesichts der fehlenden Mittel oft unmöglich erschien. Sie selbst war für alle da, die Rat und Zuspruch brauchten. Ob es sich um zerrüttete Ehen, Erziehungsprobleme, Krankheiten oder defekte Wohnungen handelte, die Menschen suchten sie auf, weil sie spürten, dass nicht nur ein Beamter vor ihnen saß, der Sprechstunden hielt, sondern ein Mensch, der am Schicksal jedes einzelnen Anteil nahm. So war sie bei den Bewohnern ihres Stadtteils beliebt, denen die menschliche Zuwendung häufig wichtiger war als die materielle, die sie ohnehin nur recht unzureichend gewähren konnte. Die Weimarer Republik war arm an Menschen, die wie Fanny David in ihrer Arbeit aufgingen und so die Demokratie überzeugender repräsentierten als viele Agitatoren und Funktionäre.

Eine so bemerkenswerte Frau gewann beinahe zwangsläufig Einfluss über ihren Tätigkeitsbereich hinaus. Oskar Martini, der Präsident des Wohlfahrtsamts, zog Fanny David in seinen engeren Beraterkreis. Er legte besonderen Wert auf ihr Urteil, das niemals fertig war, sondern das sie sich in der praktischen Arbeit stets neu bildete und den Erfordernissen der jeweiligen Lage anpasste.

Nach der Bildung des von den Nationalsozialisten geführten Senats im März 1933 wurde Fanny David sofort entlassen. Die erfahrene und charakterstarke Frau wurde aber schon nach kurzer Zeit vom Vorstand der jüdischen Gemeinde gebeten, in der neugegründeten Beratungsstelle für jüdische Wirtschaftshilfe mitzuarbeiten und zu helfen, die knappen Mittel sachgerecht zu nutzen. Mit ihrem Realitätssinn fand sie selbst in schwierigen Lagen einen Ausweg. In den zehn Jahren, in denen sie in der Gemeinde tätig war, ab 1936 als verantwortliche Leiterin des gesamten Wohlfahrtswesens, ist Fanny David für viele ihrer Schicksalsgenossen der Inbegriff der Menschlichkeit geworden. Obwohl die Anforderungen schneller wuchsen als sie zu bewältigen waren, hat sie niemals den Überblick verloren. Sie war stets zur Stelle, hörte zu, gab Ratschläge, half und vermittelte. Obwohl auch sie in den furchtbaren Jahren von 1938 bis 1943 in ständiger Angst lebte, blieb sie äußerlich ruhig und richtete damit viele auf. Sie wurde für die Gequälten Vorbild und Stütze. Ihre Güte wurde in der Zeit der Unmenschlichkeit eine bezwingende Kraft. Nach der Auflösung der Gemeinde im Juni 1943 wurde sie mit den meisten Kollegen und Mitarbeitern am 23. Juni 1943 nach Theresienstadt deportiert und zu schwerer körperlicher Arbeit gezwungen. Sie hat auch dort alle Schikanen und Erniedrigungen, die ihr die Peiniger zufügten, ertragen. Sie stellte der Niedertracht ihre Würde entgegen, doch ihre Kräfte zehrten sich auf. Im Oktober 1944 wurde sie von Theresienstadt nach Auschwitz deportiert, wo sie unmittelbar nach der Ankunft gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester in die Gaskammer geschickt und ermordet wurde.
WJ
Literatur:
Nachdruck aus Werner Jochmann: Max Mendel, in: Der Untergang der Hamburger Juden. Gedenkveranstaltung des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg, der jüdischen Gemeinde, des europäischen B’nai B’rith sowie der Joseph-Carlebach-Loge am 2. Oktober 1983 im Haus der Patriotischen Gesellschaft, hrsg. von der Staatlichen Pressestelle Hamburg, Hamburg 1984, S. 20-22; FuD, S. 48f

Kommentare sind geschlossen.