Christier,Wilhelm

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Christier, Wilhelm

* 04.04.1879 in Hamburg,
† 13.03.1958 in Hamburg

Steinsetzer

- SPD 1906 – 1933, Reichsbanner, SPD ab 1946

- 2,5 Wochen Schutzhaft Hamburg 1937
wg. Landesverrat und Vorbereitung zum Hochverrat
(Prozess Kugler)

- Verlust des Arbeitsplatzes

Leben und Werk

Wilhelm Christier wurde in Hamburg-Barmbek geboren, einem Stadtteil, dem er bis in seine letzten Lebensmonate verbunden blieb. Weidestraße, Ortrudstraße, Humboldtstraße, Osterbekstraße – das waren über viele Jahrzehnte die Adressen der Wohnungen. Die Vorfahren stammten – soweit bisher feststellbar – überwiegend aus dem Raum Mölln- Trittau-Grönwohld und kamen zu Beginn des 19. Jahrhunderts in die rasch aufblühende Großstadt, um hier ihr Auskommen als Einzelhändler, Handwerker und Arbeiter zu finden. Nach der Volksschulzeit und wechselnden Arbeitsverhältnissen konnte Wilhelm Christier im November 1904 eine Beschäftigung beim Hamburger Staat aufnehmen, und zwar als Steinsetzer bei der Baubehörde, Amt für Ingenieurwesen. Sein Betriebsplatz befand sich über fast drei Jahrzehnte in der Jarrestraße; nicht ohne Stolz verwies er noch in späteren Jahren auf die Dienstbezeichnung eines "Wegemeisters". Wilhelm Christier war gewerkschaftlich organisiert und engagierte sich seit 1905 als Funktionär beim Staatsarbeiterverband. Ein Jahr später trat er in die SPD ein, der er über mehr als 50 Jahre die Treue hielt. Im Staatsarchiv findet sich noch heute das Original des "Bürgerbriefes", den er nach mehrjähriger Steuerzahlung 1908 endlich beantragen konnte, um als vollberechtigter Bürger an den Wahlen zur Bürgerschaft teilnehmen zu können. Im selben Jahr heiratete Wilhelm Christier; bald wohnten auch drei Kinder in der Wohnung Weidestraße 11. Anfang der zwanziger Jahre verschlechterte sich die Lebenssituation für Wilhelm Christier und seine drei Kinder, da seine Frau sehr jung starb. Nichtsdestoweniger war Wilhelm Christier auch während der Zeit der Weimarer Republik ein aktiver Sozialdemokrat, regelmäßiger und diskutierfreudiger Veranstaltungsbesucher seiner Parteigliederung in Barmbeck-Süd. Viele Jahre vertrat er als Vertrauensmann die Anliegen der Kollegen aus der Jarrestraße. Ende der zwanziger Jahre reihte er sich in das Reichsbanner ein, um seinen Beitrag zur Rettung der Republik zu leisten. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde ihm am 19. August 1933 – als einzigem seiner Dienststelle – formlos ein "Entlassungsschein" ausgehändigt, in dem lapidar festgestellt wurde: "Herr Christier ... ist vom 08.11.1904 bis 19.08.1933 beim Ingenieurwesen als Steinsetzer beschäftigt gewesen und am 19.08.1933 aus dem Arbeitsverhältnis entlassen worden zwecks Austausches gegen Erwerbslose." Nach 29 Jahren Arbeit beim Hamburger Staat die fristlose Kündigung – ein bemerkenswerter Einblick in die Methoden zur "Reduzierung der Arbeitslosigkeit". Ein sofort eingelegter Widerspruch blieb erfolglos. Wilhelm Christier hatte seinen Arbeitsplatz aus politischen Gründen verloren.Mit 54 Jahren war er damit zwangsweise Empfänger eines Ruhegeldes, das erst nach längerem Hin und Her auf bescheidene 109,68 RM festgesetzt wurde – abzüglich 7,00 RM für eine "freiwillige" Versicherung in der staatlichen Angestelltenkasse. Erst nach dem Ende der Nazizeit erhielt er eine Entschädigung für das entgangene Gehalt und die willkürlich reduzierten Anrechnungszeiten für die Altersrente. Aus seiner Ablehnung des Nationalsozialismus machte Wilhelm Christier nie einen Hehl. Regelmäßig kam er mit befreundeten früheren Sozialdemokraten aus Barmbek und Bramfeld zusammen, auch um über die politische Lage zu diskutieren. Die Verteilung von Flugblättern brachte ihn 1937 in ernste Schwierigkeiten. Am 4. Dezember dieses Jahres erfolgte eine Hausdurchsuchung durch zwei Gestapo Beamte. Zwei Tage später wurde Wilhelm Christier verhaftet und ins KZ Fuhlsbüttel eingeliefert. Ihm wurde Beteiligung an der Vorbereitung zum Hoch und Landesverrat vorgeworfen. Nur durch die Solidarität seiner Mithäftlinge und die Fürsprache eines einflussreichen Bekannten gelang es ihm mit Mühe, seine Rolle herunterzuspielen. So entging er schließlich der Anklage und wurde einen Tag vor Heiligabend 1937 aus der Haft entlassen. Zeitgleich mit seiner Festnahme wurde auch seine zweite Ehefrau verhaftet,41 40 zum Stadthaus, dem Sitz der Gestapo, gebracht und dort massiv unter Druck gesetzt. Sie verriet jedoch nichts. Die Zeit des Zweiten Weltkrieges verbrachte Wilhelm Christier teilweise in der Weidestraße, später bei Verwandten in Baden. Anfang 1946 kehrte er nach Barmbek zurück, zunächst in die Humboldtstraße, dann in die Osterbekstraße 14 (heute Hans-Henny-JahnnWeg). Literatur:
FuD, S. 38ff HC

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