Biedermann, Adolf

Biedermann, Adolf

* 30.03.1881 in Hamburg,
† 11.05.1933 in Recklinghausen

Parteisekretär, Mitglied des Reichstags, Schlosser, Gewerkschaftssekretär, Angestellter beim Arbeitsamt, Leiter der Zentrale für Heimatdienst Hamburg

– SPD 1907 – 1933, Distriktsführer,MdBü,MdR, Gauvorsitzender, Reichsbanner

– wurde tot neben Bahngleisen gefunden, wahrscheinlich ermordet

Leben und Werk

Adolf Biedermann wurde als Sohn eines selbstständigen Malers in Hamburg geboren. Als der Vater starb und die Mutter neben der Weiterführung des Malerbetriebs die Erziehung der fünf Kinder nicht mehr leisten konnte, kam Adolf Biedermann im Alter von sieben Jahren in ein Waisenhaus. Nach dem Besuch der Volksschule erlernte Biedermann in einer viereinhalbjährigen Ausbildung in Eckernförde das Schlosserhandwerk. 1901 begann der zweijährige Militärdienst, danach kehrte er nach Hamburg zurück.
Biedermann fand Arbeit in einer Maschinenfabrik und bildete sich in einem Arbeiterbildungsverein fort. Im Oktober 1907 trat er in die SPD ein. Auch im Deutschen Metallarbeiter-Verband (DMV) wurde er aktiv. Hier übernahm er später die Hamburger Bezirksführung. Biedermann, der ab 1907 in der Schmalenbeckerstraße 25 in Barmbek wohnte, stieg innerhalb der Parteiorganisation zum örtlichen Distriktsvorsitzenden auf. Mit etwa 10.000 Mitgliedern gehörte der Barmbeker Distrikt vor dem Ersten Weltkrieg zu den größten Ortsvereinen in Deutschland. Biedermann machte sich als Redner einen Namen und veröffentlichte Artikel in der Arbeiterpresse. Durch intensive Fortbildung qualifizierte er sich 1914 für die Aufnahme in die Berliner SPD-Parteischule. Der Beginn des Ersten Weltkrieges verhinderte den Besuch. Bis 1918 leistete Biedermann Kriegsdienst. Im Februar 1919 wurde Biedermann in Hamburg zum Parteisekretär gewählt. Im darauf folgenden Monat kandidierte er erfolgreich für die Hamburgische Bürgerschaft. Er legte sein Mandat 1927 nieder, nachdem er im Jahr zuvor in den Reichstag nachgerückt war. Ununterbrochen gehörte er dem Parlament an und wurde am 5. März 1933 erneut gewählt. Biedermann nahm am 23. März 1933 an der Abstimmung über das "Ermächtigungsgesetz" der Nationalsozialisten teil und stimmte wie alle der 94 anwesenden SPD-Abgeordneten mit "Nein". Auch dem Bezirksvorstand des Reichsbanners gehörte er an.
Anfang Mai 1933 reiste Biedermann nach Bonn, als Abgeordneter des Deutschen Reichstages konnte er mit seiner Freifahrkarte ein Abteil der I. Klasse nutzen. Auf der Rückfahrt kam Biedermann in der Nacht vom 10. auf den 11.Mai 1933 durch ungeklärte Umstände zu Tode. Seine Leiche wurde an der Bahnstrecke zwischen Recklinghausen-Süd und Recklinghausen-Hauptbahnhof gefunden. Biedermann hatte allein im Abteil gesessen. Es wurde mit heruntergelassenem Fenster vorgefunden. Rock, Schuhe, Kragen, Mantel lagen im Abteil.Der Tote war nur mit Hose und Weste bekleidet.
Politische Freunde berichteten über seine Niedergeschlagenheit angesichts der sich abzeichnenden Entwicklung. Am 2. Mai 1933 waren die Gewerkschaftshäuser besetzt worden. Acht Tage später wurde das Parteivermögen beschlagnahmt. Möglicherweise stand Biedermann auch unter dem Eindruck der Bücherverbrennung, die die Nationalsozialisten am 10. Mai 1933 in den Universitätsstädten inszenierten. Der Prager SPD Exilvorstand vermutete in seinen Deutschlandberichten Anfang 1934 Selbstmord.
Allerdings kann auch ein Anschlag nicht ausgeschlossen werden, in einer Zeit, in der politischer Mord auf der Tagesordnung stand. Die den Sozialdemokraten ansonsten nicht wohl gesonnenen Kommunisten gingen in einer Information der KPD-Bezirksleitung Wasserkante vom 25.Mai 1933 von einem Mord an dem zum rechten Parteiflügel zählenden Biedermann aus. Nach den dort veröffentlichten Angaben hatte die Leichenschau Brandwunden an der linken Hand ergeben. Die Kommunisten sprachen die Vermutung aus, dass Biedermann von Nationalsozialisten im Schlaf mit einem Hammer erschlagen und aus dem Zug geworfen worden sei. Eine Obduktion der Leiche wurde nicht durchgeführt.
Aus versicherungstechnischen Gründen plädierte die Ehefrau in einem Prozess gegen die Reichsbahn auf einen Unglücksfall. Einen Selbstmord konnte die Bahn nicht nachweisen, so dass der Witwe eine Entschädigung zugesprochen wurde.
Biedermanns Leiche wurde nach Hamburg überführt und am 24. Mai 1933 auf dem Ohlsdorfer Friedhof beigesetzt. Bei der Trauerfeier erwiesen mehrere tausend Hamburger Adolf Biedermann das letzte Geleit. Es war zugleich eine stille Demonstration gegen das NS-Regime. Ein Jahr später fanden sich trotz Versammlungsverbots mehrere hundert – andere Berichte sprechen von Tausenden – Sozialdemokraten am ersten Todestag sowie an dem einen Tag davor gelegenem Himmelfahrtstag am Grab ein. Die Menschen zogen vorüber, legten Blumen nieder und setzten ein Zeichen gegen das NS-Regime. Auch ein Kranz mit roter Schleife und ein Blumengebinde mit den Buchstaben D.A.E. (Disziplin, Aktivität, Einigkeit) bedeckten das Grab.
Den Grabstein, der neben dem Namen die Inschrift trug: "ein Kämpfer für Freiheit und Sozialismus", ließen die Nationalsozialisten noch 1933 entfernen. Fotografien des Grabes wurden für die illegale Beitragskassierung verwendet und dienten als Quittung. Sie waren später Gegenstand von Gerichtsverhandlungen über die Finanzierung der illegalen Parteiarbeit.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das ehemalige Volkshaus in der Jarrestraße 27, in der Straße, in der auch Biedermann gewohnt hatte, in Adolf Biedermann-Haus umbenannt. Heute erinnert eine Gedenktafel an der Ecke Jarrestraße/JeanPaul-Weg an den Bürgerschafts und Reichstagsabgeordneten. In Barmbek-Süd wurde 1947 der Biedermannplatz nach ihm benannt.
Literatur:
FuD, S. 27f; HB, Bd. 6,S. 33f
HM 

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